Beim Thema Sensorik befinden wir uns in der Baulogistik noch auf der grünen Wiese

Als Chief Technical Officer bei Amberg Loglay konzentriert sich Johannes Römpp auf das Digitale. Seit 2018 geht er unter anderem der Frage nach, wie Sensorik der Baulogistik nützen kann. Inzwischen sind die selbst entwickelten Sensoren auf ersten Grossbaustellen im Einsatz.
Johannes Römpp

Wie kam Amberg Loglay auf das Thema Sensorik?

Johannes Römpp: Ein befreundetes Start-up, das unsere Firmengründer mitgegründet haben, brachte uns auf die Idee, die Töne und Geräusche einer Baustelle auszuwerten. Wir entwickelten verschiedene Anwendungen und testeten sie. Zum einen eine Audio Analytics-Software auf der Baustelle. Wir wollten wissen, ob man erkennt, wenn jemand beispielsweise Eisen verlegt, Holz sägt, ein Loch bohrt. Das hat gut funktioniert. Weitere Use Cases sind die Verkehrszählung und Fahrzeugerkennung auf der Baustelle sowie die Prozesserkennung beim Tunnelbau. Aus der Anwendung erkannten wir das riesige Potential – wir entwickelten einen eigenen Sensor, der in Fassadenaufzügen angebracht wird und misst, wie sich ein Aufzug bewegt – wo fährt er hin, wie lange hält er da, gibt es technische Probleme oder Ausfälle? Diese Sensoren werden inzwischen auf zahlreichen Baustellen eingesetzt.

Sensoren sammeln Daten. Wozu ist das gut?

Johannes Römpp: Sensoren schaffen auf der Baustelle Transparenz. Die Daten ermöglichen, die Planung mit dem Ist-Zustand zu vergleichen. Wenn die Werte abweichen, lässt sich die Planung anpassen, um effizientere Prozesse zu verwirklichen. Auch für zukünftige Projekte. Beispiel Aufzüge: Da ist es hilfreich zu wissen, ob die Lifte es schaffen, die Personen und das Material gemäss Plan zu den Einsatzorten zu bringen. Dank den Sensoren wissen wir, ob unsere Berechnungen stimmen.

Beim Thema Sensorik befinden wir uns in der Baulogistik noch auf der grünen Wiese

«Dank den Sensoren wissen wir, ob unsere Berechnungen stimmen.»

Stellen Sie sich eine Grossbaustelle vor, auf der am Morgen 700 Bauleute auf 25 Etagen gelangen sollten. Die Logistikplanung sieht vor, dass sie direkt vom EG in ihre Stockwerke fahren. In Wirklichkeit gibt es aber Chefs, die ihre Mitarbeitenden zuerst auf einem anderen Stockwerk zur Besprechung versammeln und dann erst von dort losfahren lassen – 30 Minuten später, von einem anderen Stockwerk. Oder das Beispiel Baustellenverkehr: In der Software werden Slots gebucht für das Entladen von Fahrzeugen. Sensoren messen, wie lange ein Fahrzeug tatsächlich auf der Baustelle bleibt. Unter Umständen können die Slots verkürzt werden.

Wo kommt das Internet of Things ins Spiel?

Johannes Römpp: Sobald die Sensoren mit der Aussenwelt, sprich dem Internet kommunizieren! Jeder unserer Sensoren ist mit dem Internet verbunden. Das hat den Vorteil, dass keine Arbeitszeit aufgewendet werden muss, um die Daten auszulesen. Ausserdem liefern Sensoren Daten in Echtzeit, was ebenfalls hilft. Zum Beispiel um zu erfahren, wo sich ein Aufzug gerade befindet. Oder beim Baustellenverkehr: Dieser wird mittels Sensoren automatisch geregelt. Wenn die Sensoren bei der Zufahrt erkennen, dass ein LKW ausfährt, schalten sie die Ampeln der Ein- und Ausfahrt und regeln so die beengten Baustellenzufahrt. Die Zufahrt kann in diesem Kontext sogar die erweiterte Zufahrt zum Bauperimeter sein und dabei die Verkehrskoordination bzw. den Verkehrsdienst unterstützen, in manchen Projekten sogar ersetzen.

Wie gehen Sie bei der Entwicklung von Sensoren konkret vor?

Johannes Römpp: Zuerst definieren wir die Anforderungen und schauen, ob es schon entsprechende Sensoren gibt auf dem Markt. Falls nicht, bauen wir selber Prototypen. Mit Partnern entwickeln wir den Sensor komplett neu oder passen einen bestehenden an. Meistens arbeiten wir mit lokalen Partner eng zusammen, die auf IoT-Produkte spezialisiert ist. Für die Datenübertragung nutzen wir das LoRa-Netzwerk, das sehr energieeffizient ist, so halten die Batterien der Sensoren bis zu einem Jahr.

Welches ist das bisher erfolgreichste Sensorik-Projekt, das Sie umgesetzt haben?

Johannes Römpp: Bei der Erweiterung der Bezirksanlage Winterthur unterstützen wir das Verkehrsmanagement – vom und zum Bauperimeter aber auch darauf. Dort hätten sonst über mehr als zwei Jahre zwei Security-Leute den Baustellenverkehr koordinieren müssen, allerdings mit einer unzureichenden Auslastung über den Arbeitstag hinweg. Intelligentes IoT- und Kameralösungen sind somit die sinnvollere und günstigere Lösung.

Vor welcher Herausforderung stehen Sie bei Sensorik-Projekten?

Johannes Römpp: Dass jede Baustelle anders ist. Die Ansprüche sind individuell und die Baustellen-Settings ganz unterschiedlich.

Wie verbreitet ist Sensorik heute auf Baustellen und wann wird sie Standard sein?

Johannes Römpp: Momentan befinden wir uns noch auf der grünen Wiese; Sensorik wie wir sie meinen ist so gut wie gar nicht im Einsatz. Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten und erklären, warum das Sinn macht. Ich gehe davon aus, dass bei grossen Bauprojekten in den nächsten fünf Jahren vermehrt auf sensorische Lösungen gesetzt wird.